Emotionen – Funktional versus Dysfunktional

Selbstkontrolle – „Reiß dich zusammen!“

Der universale psychologische Trigger von Selbstkontrolle ist ein Reiz, der Gedanken, Gefühle oder Verhaltensimpulse hervorruft, die von den inneren Zielen abweichen. Du hast dir beispielsweise vorgenommen, heute Abend einen wichtigen Fachartikel zu lesen, der schon länger auf deinem Schreibtisch liegt. Ein Freund ruft an und möchte mit dir spontan Abendessen gehen. Was machst du? Das Angebot ist verlockend. Dennoch gibst du dich der Verlockung nicht hin und sagst „Ja“ zum Artikel. 

Hier zeigt sich die Funktion von Selbstkontrolle: Die willentliche Unterdrückung „störender“ Impulse. Gleichzeitig zeigt sich hier die Bedeutung der „Genussenergie“ als Gegenpol. Ansonsten würdest du nur noch ausschließlich der Erreichung deiner Ziele nachgehen, ohne die verborgene Schönheit des Lebens zu bemerken. 

Das macht den Unterschied zwischen „Ich muss“ und „Ich möchte“ aus und erfüllt dadurch das Bedürfnis nach Ich-Klarheit – der Klarheit, wer du bist und was du wirklich möchtest. Selbstkontrolle fördert den Fokus auf wertgeladene Ziele, wie beispielsweise einen akademischen Abschluss (Duckworth & Gross, 2014). Ebenso schützt sie vor Aufschieberitis (Prokrastination), also dem Aufschieben wichtiger Aufgaben (J. Zhao et al., 2019). 


Weitere nützliche Unterscheidungsform für Emotionen

Ressourcen-Impact-Matrix für Selbstkontrolle

Physiologisch / neuronal

  • Selbstkontrolle geht mit der Aktivierung des frontoparietalen Netzwerks – dem „Immunsystem der Psyche“ einher (Turner et al., 2019). 
  • Fördert die funktionale Kommunikation zwischen dem präfrontalen Cortex und der Amygdala (Paschke et al., 2016). 
  • Aktiviert den Parasympathikus und erhöht damit die Herzratenvariabilität (Zahn et al., 2016). 

Emotional

  • Je höher die Selbstkontrolle, desto besser ist die Emotionsregulation (Paschke et al., 2016).
  • Schützt vor Missbrauch von Genussverführern wie Süßigkeiten, Alkohol, Zigaretten oder Glücksspiel (Tice & Bratslavsky, 2000). 
  • Fördert das subjektive Glücksempfinden durch den Selbstverbesserungsfokus (Cheung et al., 2014).  

Kognitiv  

  • Selbstkontrolle ist gemeinsam mit Grit der wichtigste Faktor für Erfolg in jeglichen Lebensbereichen (Duckworth & Gross, 2014). 
  • Fördert den ungeteilten Fokus auf ein wertgeladenes Ziel (Duckworth, Taxer, Eskreis-Winkler, Galla, & Gross, 2019).
  • Schützt vor Aufschieberities (Prokrastination) (J. Zhao at al., 2019). 

Sozial / behavioral

  • Begünstigt ehrliches Verhalten (Blachnio, 20212). 
  • Reduziert aggressives Verhalten nach einer Provokation (Denson, Capper, Oaten, Friese, & Schofield, 2011). 
  • Verringert das subjektive Gefühl von Einsamkeit (Stavrova, Ren, & Pronk, 2021). 

Definition & Kurzübersicht für Selbstkontrolle

Trigger

Reiz, der Gedanken, Gefühle, Verhaltensimpulse auslöst, die von inneren Zielen abweichen

Funktion

Willentliche Unterdrückung „störender“ Impulse

Bedürfnis

Ich-Klarheit

Selbstkontrolle kultivieren

Selbstkontrolle kultivierst du optimal in dem du a) deine emotionale Denkgenauigkeit stärkst (d. h. Klarheit über Trigger, Funktion, Bedürfnis; siehe oben) sowie b) deine emotionale Empfindungsgenauigkeit trainierst (d. h. du erlebst und fühlst Selbstkontrolle regelmäßig). Nachfolgend drei anwendbare Tipps, um sofort mehr Selbstkontrolle zu fühlen:

  • Nimm eine bequeme Sitzposition ein und schließe deine Augen. Stelle dir innerlich die Frage: „In welcher Situation habe ich einem attraktiven Impuls widerstanden, der mich von meinem Ziel abgebracht hätte?“. Nimm alle Gedanken und Empfindungen, die als Antwort hochkommen, bewertungsfrei wahr. Verbinde dich jetzt für ca. 15 Sekunden bewusst mit dem Gefühl der Selbstkontrolle in deinem Körper (d. h. mit dem Ort in deinem Körper, der dich am stärksten die Selbstkontrolle spüren lässt). Mache dies ein- bis zweimal täglich. 
  • Nutze in Gegenwart von Genussverführern deinen Atem als Anker. Sobald du den Sog des Genussverführers spürst, nehme einen achtsamen Atemzug, indem du vier Sekunden durch die Nase ein und sechs Sekunden durch den Mund ausatmest. Frage dich im Anschluss: „Möchte ich den Genussverführer gerade wirklich?“.
  • Etabliere einen Ich-Ort in deinem Körper: „An welchem Ort in deinem Körper spürst du dein Ich am stärksten? Wo bist du am stärksten mit deinen kraftvollsten Zielen, Werten und deinem Wesenskern verbunden?“ Das kann im Herzen, in der Brust, im Bauch oder an einem anderen Ort sein. Berühre diesen Ich-Ort täglich und werde dir bewusst, wer du bist und was du möchtest. 
Weitere nützliche Unterscheidungsform für Emotionen

Selbstkonzept-Klarheit durch Selbstkontrolle – Komplementär mit Positivitätsresonanz (Mitfreude)

Nach Campbell (1990) verstehen wir unter Selbstkonzept-Klarheit das Ausmaß, in dem das Selbstkonzept sicher definiert („Ich bin überzeugt, dass ich so bin“), zeitlich stabil und stimmig zueinander ist. Du erkennst also, was dich im Kern ausmacht, was dir wirklich wichtig im Leben ist, was du kannst und was nicht. 

Um an diesen Punkt zu gelangen ist es bedeutsam sowohl ein starkes Ich-Gefühl als auch ein starkes Wir-Gefühl zu entwickeln. Das Ich-Gefühl ermöglicht es dir zu erkennen, was nicht Teil deines Selbstkonzeptes ist oder sein soll (durch Abgrenzung). Du bleibst dir selbst treu und lässt dich nicht von störenden Impulsen von deinen Zielen abbringen. Das Wir-Gefühl öffnet dich für Verbindungen und zeigt dir, mit wem du positiv resonierst und wer zu dir gehört. Nur durch eine Balance zwischen dem Ich (Abgrenzung) und dem Wir (Verbindung) kannst du wirklich Ja zu beispielsweise Beziehungen sagen.

Das Wir-Gefühl stärkst du durch die Positivitätsresonanz während das Ich-Gefühl durch Selbstkontrolle gefördert wird. Daher ist die Balance dieser beiden emotionalen Super-Ressourcen so wertvoll. 

Quelle: Mesource