Emotionen – Funktional versus Dysfunktional

Positivitätsresonanz (Mitfreude) – Deine Freude, meine Freude

Positivitätsresonanz zählt neben liebevoller Güte, Mitgefühl und Gleichmut zu den vier „grenzenlosen Geisteshaltungen“, deren Alltagskultivierung im Buddhismus angestrebt wird. Sie wird dort als „mudita“ bezeichnet, was so viel wie Mitfreude bedeutet. 

Der universale psychologische Trigger von Positivitätsresonanz ist eine Person im Außen, die angenehme Gefühle erlebt. Hierbei ist es nicht wichtig, dass die Person einem nahe steht oder wir sie kennen. Du siehst das Glück eines anderen Menschen, beispielsweise deines Kindes oder einer fremden Person und nimmst diese Gefühle in dich auf und spürst diese selbst. 

Hier zeigt sich die Funktion von Positivitätsresonanz: Das positive Mitschwingen mit dem Glück der anderen Person

Das Bedürfnis, dass du durch Positivitätsresonanz erfüllst, ist somit interpersonelle Verbundenheit. Dies tritt sogar bei einer fremden Person auf. 

Positivitätsresonanz erweitert die Qualität unserer sozialen Beziehungen. Beispielsweise wurde durch die Forschung nachgewiesen, dass die Häufigkeit der erlebten Positivitätsresonanz in einer Ehe positiv mit der langfristigen Beziehungszufriedenheit zusammenhängt (Otero et al., 2019). In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um den intensiven Zustand der Liebe, wie er beispielsweise zwischen Liebespartnern oder Eltern und ihren Kindern auftritt. Vielmehr ist Liebe eine Emotion, die in ihrer milden Form unsere täglichen Beziehungen umfasst – immer dann, wenn wir uns mit einem oder mehreren Menschen verbunden fühlen (z. B. Familienmitgliedern, Freunde, Bekannte oder Fremde). 

Dies ist daher so wichtig, da sich häufig zu sehr auf die Intensität der Gefühle fokussiert wird. Studien zeigen jedoch, dass vor allem die Regelmäßigkeit des Erlebens angenehmer Gefühle entscheidend ist für unser emotionales Wohlbefinden und unsere Resilienz (Cohn, Fredrickson, Brown, Mikels, & Conway, 2009; Diener, Sandvik, & Pavot, 2009). 


Weitere nützliche Unterscheidungsform für Emotionen

Ressourcen-Impact-Matrix für Positivitätsresonanz

Physiologisch / neuronal

  • Aktiviert den Parasympathikus und erhöht damit die Herzratenvariabilität (HRV) (Kok & Fredrickson, 2010).
  • Fördert die Ausschüttung von Oxytocin, das angst- und stresslösend wirkt (B. L. Fredrickson, 2013; Grace, Rossell, Heinrichs, Kordsachia, & Labuschagne, 2018). 
  • Hemmt rechtshemisphärisch Hirnareale, die für Sozialkritik zuständig sind (Bartels & Zeki, 2000; Bartels & Zeki, 2004).
  • Aktiviert die Dopamin-Schaltkreise im Gehirn (Wagner et al., 2015). 

Emotional

  • Fördert das allgemeine emotionale Wohlbefinden und hängt negativ mit Depressionen zusammen (Major, Le Nguyen, Lundberg, & Fredrickson, 2018). 
  • Schützt vor Burnout und fördert die Resilienz (Seppala et al., 2014). 
  • Steigert durch eine empfundene Zunahme der persönlichen Ressourcen die allgemeine Lebenszufriedenheit (Fredrickson, Cohn, Coffey, Pek, & Finkel, 2008). 
  • Hängt negativ mit Neid zusammen (Zeng, Chan, Oei, Leung, & Liu, 2017).

Kognitiv  

  • Verringert den Selbstfokus und steigert Empathie sowie Mitgefühl (Seppala et al., 2014).
  • Kann implizite soziale Vorurteile verringern (Kang, Gray, & Dovidio, 2014). 
  • Fördert die Tendenz, neutrale Reize positiver zu bewerten (Hunsinger, Livingston, & Isbell, 2012). 
  • Verringert nachhaltig die Tendenz zur Selbstkritik (Shahar et al., 2015; Zeng, Wang, Oei, & Leung, 2019). 

Sozial / behavioral

  • Verringert das subjektive Gefühl der Einsamkeit (Major et al., 2018).
  • Stärkt die Positivität und das Gefühl der Verbundenheit zu anderen Menschen (Hutcherson et al., 2008). 
  • Wechselseitige Positivitätsresonanz in einer Partnerschaft steigert die langfristige Beziehungszufriedenheit (Otero et al., 2019).
  • Fördert eine selbstlose Denk- und Handlungsweise (Zeng, Chan, Oei, et al., 2017). 

Definition & Kurzübersicht für Positivitätsresonanz

Trigger

Person im Außen, die angenehme Gefühle erlebt

Funktion

Positives Mitschwingen mit dem Glück einer anderen Person

Bedürfnis

Interpersonelle Verbundenheit

Positivitätsresonanz kultivieren

Positivitätsresonanz kultivierst du optimal in dem du a) deine emotionale Denkgenauigkeit stärkst (d. h. Klarheit über Trigger, Funktion, Bedürfnis; siehe oben) sowie b) deine emotionale Empfindungsgenauigkeit trainierst (d. h. du erlebst und fühlst Positivitätsresonanz regelmäßig). Nachfolgend drei anwendbare Tipps, um sofort mehr Positivitätsresonanz zu fühlen:

  • Nimm eine bequeme Sitzposition ein und schließe deine Augen. Stelle dir innerlich die Frage: „Wo habe ich jemand anderem eine Freude gemacht?“, oder „Wo habe ich mich mit einer anderen Person mitgefreut?“. Nimm alle Gedanken und Empfindungen, die als Antwort hochkommen, bewertungsfrei wahr. Verbinde dich jetzt für ca. 15 Sekunden bewusst mit dem Gefühl der Freude der anderen Person in deinem Körper (d. h. mit dem Ort in deinem Körper, der dich am stärksten die „Mitfreude“ spüren lässt). Mache dies ein- bis zweimal täglich. 
  • Achte im Alltag auf Menschen, die sich in deiner Umgebung freuen. Schwinge innerlich mit der Freude mit und wünsche der Person innerlich „Möge deine Freude anhalten!“. 
  • Meditiere in Positivitätsresonanz. Studien zeigen, dass bereits sechs Minuten täglich einen signifikanten Effekt haben – und das bereits nach der ersten Meditation (Zeng, Chan, Liu, Oei, & Leung, 2017). In der Grundform nutze folgenden Ablauf: 1) Nimm eine bequeme und wachsame Körperhaltung ein, schließe die Augen und nimm ein paar achtsame Atemzüge. 2) Stelle dir vor, wie eine dir emotional nahe Person vor dir sitzt und sich gerade aus ganzem Herzen freut. 3) Sende diesem Menschen von Herzen die besten Wünsche, wie z. B. „Ich freue mich mit dir. Möge deine Freude anhalten“. Wiederhole dies mehrmals. 4) Stelle dir nun vor, wie deine Wünsche wie ein Lichtstrahl von deinem Herzen ausgehend zur anderen Person strömen und diese erreichen.  
Weitere nützliche Unterscheidungsform für Emotionen

Selbstkonzept-Klarheit durch Positivitätsresonanz (Mitfreude) – Komplementär mit Selbstkontrolle

Nach Campbell (1990) verstehen wir unter Selbstkonzept-Klarheit das Ausmaß, in dem das Selbstkonzept sicher definiert („Ich bin überzeugt, dass ich so bin“), zeitlich stabil und stimmig zueinander ist. Du erkennst also, was dich im Kern ausmacht, was dir wirklich wichtig im Leben ist, was du kannst und was nicht. 

Um an diesen Punkt zu gelangen ist es bedeutsam sowohl ein starkes Ich-Gefühl als auch ein starkes Wir-Gefühl zu entwickeln. Das Ich-Gefühl ermöglicht es dir zu erkennen, was nicht Teil deines Selbstkonzeptes ist oder sein soll (durch Abgrenzung). Du bleibst dir selbst treu und lässt dich nicht von störenden Impulsen von deinen Zielen abbringen. Das Wir-Gefühl öffnet dich für Verbindungen und zeigt dir, mit wem du positiv resonierst und wer zu dir gehört. Nur durch eine Balance zwischen dem Ich (Abgrenzung) und dem Wir (Verbindung) kannst du wirklich Ja zu beispielsweise Beziehungen sagen.

Das Wir-Gefühl stärkst du durch die Positivitätsresonanz während das Ich-Gefühl durch Selbstkontrolle gefördert wird. Daher ist die Balance dieser beiden emotionalen Super-Ressourcen so wertvoll. 

Quelle: Mesource